Was Phasenprophylaktika können…

Phasenprophylaktika (mood stabilizer) sind geeignet, die Anzahl und Schwere depressiver und manischer Episoden bei Patienten mit bipolaren Erkrankungen zu reduzieren. Das bedeutet, dass sie die Stimmungskurve über einen Zeitraum von einem Jahr oder länger betrachtet stabilisieren. Stellen Sie sich einen Patienten vor, der unbehandelt beispielsweise in einem 10 Jahreszeitraum 10 manische und 20 depressive Episoden gehabt hätte. In den Manien wäre er sehr ausgeprägt manisch, gäbe sehr viel Geld aus, schadete sich selbst. In den depressiven Episoden wäre er tief depressiv, teilweise suizidal, bräuchte längere Krankenhausaufenthalte. Von der Behandlung mit einem Phasenprophylaktikum verspräche man sich dann, dass er im 10 Jahreszeitraum beispielsweise statt 10 nur noch 3 manische und statt 20 nur noch 12 depressive Episoden hätte. Und die manischen Episoden wären vielleicht nur noch Hypomanien, die depressiven Episoden weniger schwer und vielleicht ambulant behandelbar. Suizidalität bestünde möglicherweise sehr viel seltener.
Das ist, was ein wirksames Phasenprophylaktikum wirklich ausrichten kann. Dabei sehe ich die Wirkstärke der einzelnen Phasenprophylaktika unterschiedlich. Meiner Einschätzung nach ist Lithium am wirksamsten (aber manchmal auch mit besonders ausgeprägten Nebenwirkungen verbunden), dann kommt Valproat, dann Carbamazepin und schließlich – in meinen Augen deutlich weniger wirksam – die Gruppe der anderen Antiepileptika wie Lamotrigen oder Keppra.
Sehr häufig stelle ich fest, dass Patienten und Behandler sich von einem mood stabilizer auch erhoffen, dass die Stimmung sich über eine Beobachtungszeit von einem Tag oder einer Woche stabilisiert. Aber genau das beobachte ich leider nicht wirklich. Manchmal können Phasenprophylaktika vielleicht tatsächlich etwas die Impulsivität dämpfen, aber gegen labile Stimmung wirken sie meiner Erfahrung nach eigentlich nicht.

Wie seht ihr das? Welche Erfahrung habt ihr mit mood stabilizern gemacht? Machen sie aus einem stimmungslabilen Menschen einen stimmungsstabilen Menschen, auch betrachtet für einen Tag oder eine Woche? Ich bin gespannt auf Eure Kommentare!

14 Gedanken zu “Was Phasenprophylaktika können…

  1. silberträumerin 11. September 2012 / 06:43

    ich habe nur erfahrung mit valproat zur stimmunsstabilisierung bei borderline-störung. meine erfahrung: ich habe nichts davon gemerkt, weder erhoffte wirkung noch nebenwirkungen. muss aber auch dazu sagen, dass ich eine relativ niedrige dosis bekommen hatte – vielleicht war’s einfach zu wenig.

  2. psychiatrienogo 12. September 2012 / 17:47

    Man verringert mit mit Lithium und den Antiepileptika die Nervenleitgeschwindigkeit.
    Mit Lithium durch Austausch der Ionen,
    Mit Antiepileptika durch „Verstopfung“ der Ionenkanäle.
    Dies führt dazu dass die Aktivierung abnimmt, man somit nicht mehr in der Lage ist größe Projekte wie in der „Manie“ anzugehen.
    Gleichzeitig schränken dies Mittel natürlich kognitiv massiv ein, da ein Faktor der Intelligenz die Nervenleitgeschwindigkeit ist.

    Sie lösen allerdings nicht das Problem des Menschen mit einer bipolaren Störung die Stavros Mentzos, dem ich zustimme, als soziales Interaktionsproblem beschreibt in dem die Depression mit der Hoffnungslosigkeit einhergeht sein Leben in eine, subjektiv positive Richtung zu veränderen, weil die sozialen Umstände dies Unmöglich machen (Bsp: Familienvater der eigentlich insgeheim gerne die Weltumsegeln möchte aber durch soziale Konventionen an die Familie gekettet ist) und die Manie die Aufkündigung des Kompromisses bedeutet.(Der Familienvater versetzt alles nur um ein Segelboot zu kaufen was natürlich auch nicht klappt weil alle ihn für verrückt erklären was ihn dazu bring sein Ziel noch vehementer zu verfolgen, was letzendlich zum Scheitern und wieder in die Depression führt)

    Siehe

    Sie lähmen praktisch den Menschen und machen es dem Menschen unmöglich seine Problem wie in der „Manie“ anzugehen.
    Das Problem lösen sie nicht.
    Deswegen auch der Rückfall beim Absetzen.

  3. D-3039 15. September 2012 / 15:56

    Hallo!
    Ich habe hauptsächlich die Erfahrung gemacht, dass die in die Phasenprophylaktika gesetzten Hoffnungen (sowohl von Ärzten als auch von Patientein) meist eher nicht erfüllt wurden.
    Besonders wenig Wirkung sah ich bislang bei sogenannten (und ja wirklich noch nicht klar definierten) schizoaffektiven Störungen.
    Die einzige Wirkung, die ich bislang sah, war die dämpfende Komponente bei schwerer Manie durch Valproinsäure. Da ich auf einer Akutstation arbeite, habe ich die längerfristigen positiven Wirkungen von Lithium noch nicht selbst sehen können, glaube aber daran.
    Bei emotional-instabilen PS habe ich bislang noch keine positive Wirkung gesehen. Etwas beängstigend finde ich manchmal die Tendenz mancher Ärzte, aus der Hilflosigkeit heraus, alles zu geben. Z. B. ist die Studienlage zu Lamotrigin hinsichtlich bipolarer Störungen ja doch eher mau. Warum dann nicht zu Lithium greifen, wenn die UAW nicht dagegen sprechen? (Nur weil es alt ist und kein Pharmavertreter mehr kommt? – behaupte ich ketzerisch) Auch die atypischen Neuroleptika sind ja nunmal größtenteils nur für manische Episoden und phasenhafte Verläufe mit hauptsächlich/ nur manischen Verläufen zugelassen. Und wie selten sind die bitte… ?!!
    Dafür erlebe ich oft, dass psychotherapeutische Maßnahmen und auch eindeutige aufrechterhaltende Faktoren aus der inneren oder äußeren Umgebung zu wenig Beachtung erfahren.

    Und noch am Rande: Die neue Mode, Topiramat bei emotional-instabilen PS zu geben (ohne Studiengrundlage oder Zulassung) ist m.E. häufig derselben Hilfosigkeit geschuldet. Mit Sorge hörte ich vor kurzem von einer Patientin, dass sie seit Topiramat kaum noch Schneidedruck hat (erstmal gut…), jetzt kämen gleich Suizidgedanken, die sie vorher fast gar nicht gehabt habe (gar nicht gut…). Aber das ist nur eine Einzelbeobachtung bislang.

    Viele Grüße!

  4. verstoert 16. Oktober 2012 / 01:04

    Von den genannten hatte ich nur Lamotrigin- und will es nie nie nie wieder haben. Eindeutig das Medikament mit den meisten oder schlimmsten Nebenwirkungen. Ich war daueraggressiv und das auch nach außen hin, was ich vorher nie war und danach zumindest nicht mehr in dem Ausmaß. Dem Absetzen ging aber eine halbjährige Diskussion voraus, weil mir alle sagten, das kommt nicht von dem Lamotrigin. Aber stabil war die Stimmung- auf Daueraggressiv und zerstörerisch.

    Laut der Ärztin, die mir endlich das Medi absetze, hatten wohl noch mehr ihrer Patienten genau das selbe Problem. Wohl nicht so auffällig wie bei mir.

  5. anonym 6. November 2012 / 18:06

    Eine Stationsärztin in der Kinder- und Jugendpsychiatrie wollte mir Valproat verschreiben (emotional-instabile PS). Die Sache ist dann aber irgendwie im Sande verlaufen (zum Glück!).

  6. Anna_Cranach 28. Januar 2014 / 18:44

    Ich nehme 300 mg Valproat chrono am Tag, 150 mg morgens und 150 mg abends.
    Die psychische Wirkung ist bei mir so wie ganz leichtes Dauer-Benzo. Angstlösend und Gelassenheit fördernd. Es macht mich nicht müde, die einzige Nebenwirkung sind 4 kg mehr.

    • Anna_Cranach 28. Januar 2014 / 18:52

      Ich habe mal 500 mg Valproat chrono genommen und musste wegen der Nebenwirkungen wieder auf 300 mg runtergehen. Ich habe nämlich massive Gedächtnisprobleme gekriegt und Verwirrung. Auch Themawechsel mitten im Satz, ohne dass ich es selbst gemerkt habe, ist vorgekommen. Ich habe in der Wohnung Schlüssel, Geldbeutel, Werkzeug, sonstwas verlegt, weil ich mir einfach so vieles nicht mehr merken konnte.

      Häufiger Konsum von Benzodiazepinen hat bei mir auch genau diese Konsequenz.

      (Diese Ausfälle habe also möglicherweise was mit GABA zu tun ?, sowohl Benzos als auch Valproat verstärken ja die Wirkung von GABA.)

      Ich nehme Valproat gegen rezidivierende unipolare Depressionen (da sind sich allerdings nicht alle Ärzte einig, andere diagnostizieren mir Bipolar2) und als Migräneprophylaxe. Wegen der Kopfschmerzquälerei bin ich auf 500 mg hochgegangen, aber das hatte die beschriebenen Nebenwirkungen, und ich musste wieder auf 300 mg zurückgehen.

      Ich nehme außer den 300 mg Valproat am Tag auch noch 75 mg Venlafaxin am Tag, ebenfalls auf morgens und abends verteilt.

  7. Anna_Cranach 28. Januar 2014 / 19:01

    Ein Freund von mir nimmt 2000 mg Valproat am Tag, 1000 mg morgens und 1000 mg abends. Zusätzlich noch jeden Abend 400 mg Seroquel prolong und 300 mg Seroquel unretardiert.
    Er hat davon einen Riesebauch, ist stark übergewichtig. Und seine Hände zittern massiv.
    Seine Ärztin hat ihm empfohlen, morgens nur noch 600 mg Valproat zu nehmen, wegen der Zitterei. Hoffentlich bringt die Dosisverminderung was, dass er seine Hände ruhig halten kann. Er kann z.B. im Garten keine kleinen Pflanzensetzlinge pflanzen, weil er da jeden zweiten abbricht. Er verschüttet sehr oft was. Usw. Die Zitterei ist echt eine massive Behinderung.

    Seine Diagnose: Bipolar, Rapid Cycling.
    Rapid Cycling trotz konsequent eingenommener Medikation, 2000 mg Valproat und 700 mg Seroquel.

  8. Nadja Steltner 12. Oktober 2015 / 18:54

    Seroquel darf mal doch garnicht mit valproat zusammen nehmen …steht in der packungsbeilage…. ohje … lg nadja

  9. Christian Petrauskas 4. Dezember 2015 / 15:35

    Ich kann jetzt nur zu valprorat Chrono Whintrop 300 mg was sagen.
    Ich bin vor 8 Wochen Vater geworden und Borderliner hatte es Jahrelang gut im Griff aber jetzt wenn die kleine Geschrien hatt überkahm mich eine solche Agresivität meiner kleinen gegenüber das ich Angst hatte ich tue ihr noch was an. Ich nehme o.g. Medikament seit 3 Wochen bewusst habe ich keinen Wirk Einsatz gemerkt aber meine Frau stellte nach 14 Tagen fest das sich mein Verhalten deutlich gebessert hatte mittlerweile freue ich mich auf meine kleine und komme in Schrei Situationen gut zu recht aber ich habe festgestellt das ich mit Einnahme des Präparates vermehrt Pippi musste und enorm dünnflüssigen übel richenden durchfall hatte

    • Christian Petrauskas 4. Dezember 2015 / 15:40

      Die Vergesslichkeit habe ich auch an mir festgestellt

  10. Regina 27. Mai 2019 / 11:02

    Seit 5 Jahren nehme ich Venlafaxin 225mg und Valpro Beta (Valporat) 150mg morgens, nach etwa 6 Monaten stellte sich bei mir eine Besserung meiner Stimmungen ein.
    Die Manischen Phasen sind seltener, kürzer und nicht mehr so extrem, außerdem bin ich nur noch selten aggressiv, die Depressiven Phasen sind nicht mehr so tief und dunkel. Ich fühle mich nicht geheilt oder gesund und doch alles in allem kann ich sagen das ich mich trotz der Stimmungsschwankungen die ich nach wie vor habe stabiler und besser fühle als vor dem Beginn der Medikation.
    Mir hat es das Leben erträglicher gemacht, manchmal braucht es etwas Geduld ehe sich der Körper auf die Medikamente eingestellt hat und eine Linderung beginnt.

  11. Fritz 24. April 2021 / 23:32

    Ich habe Carbamazepin bekommen, weil ich wegen SSRI-Antidepressiva suizidal und aggressiv würde (zuvor war ich das nicht, es waren also eindeutig Nebenwirkungen). Die Antidepressiva habe ich wegen körperlich bedingter Erschöpfung genommen, zur Antriebssteigerung, jedoch haben sie mich nicht körperlich leistungsfähiger gemacht.

    Weil die Ärzte nicht sehen konnten oder wollten, dass mir die Antidepressiva geschadet haben, habe ich später noch zusätzlich zur Impulskontrolle Carbamazepin bekommen.

    Nach Absetzen der Antidepressiva habe ich Carbamazepin noch weiter bekommen, weil ich erst nicht den Zusammenhang zwischen den Antidepressiva und der Suizidalität und Aggressionen glauben wollte.
    Jedenfalls fühle ich mich seitdem Absetzen der Antidepressiva wieder normal.

    Zur Zeit schleiche ich das Carbamazepin aus, weil der Arzt und ich eigentlich auch es für wirkungslos bei mir halten. Ich bin nicht bipolar und habe auch sonst keine Erkrankung, die Füssen Einnahme rechtfertigen würde.

    Ich habe aber das Gefühl, dass das Carbamazepin meine Stimmung irgendwie verbessert hat, allerdings kaum merkbar.

    Nun meine Frage: Kann es sein, dass Carbamazepin stimmungsaufhellend wirkt? Auch bei nicht-bipolar Erkrankten?

    Kann es sein, dass das Carbamazepin die bei mir durch Antidepressiva verursachten Langzeitfolge leichte chronische Anhedonie, die ich vorher definitiv nicht hatte, verbessert?

    Über eine Antwort würde ich mich freuen!

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