Der Hund kann gar nicht sprechen

Intelligenz und Begabung sind normalverteilte Ausprägungen. Es gibt immer einige, die sind intelligenter und begabter als andere. Wenn ich aber alle paar Monate mal wieder eine Fernsehdokumentation über irgendeine Familie sehe, die für sich entschieden hat, dass ihre Brut nun hochbegabt ist, dann bekomme ich reflektorisch Mitleid mit den Kindern.

Zumeist handelt es sich doch um Eltern, bei denen zumindest ein Elternteil völlig verstiegen in die Idee ist, dass sein Kind etwas besonderes ist und total gefördert werden muss. Es folgen täglich stundenlange gnadenlose Trainingseinheiten, in denen zweijährige Kinder Chinesisch lernen müssen. Können Sie dann kurze Sätze in Chinesisch, gilt das als Beweis ihrer Hochbegabung. Hallo? Jedes zweijährige chinesische Kind kann sich auf chinesisch verständigen, das ist völlig normal, wenn man es übt. Sind jetzt alle chinesischen Kinder hochbegabt?

Sichere Zeichen, dass das Kind normal und die Eltern verbohrt sind: * Die Familie hat mehrere hochbegabte Kinder. * Klavierspielen lernt der vierjährige Dennis am KONSERVATORIUM. * Die Hochbegabung ist so vielschichtig, dass der Trainingsplan Reiten, Balett, Klavierspielen und Englisch (oder eben Chinesisch) enthällt. An Freizeit verbleiben pro Tag möglichst nur 30 Minuten. * Ein Elternteil ist beruflich in der glücklichen Lage, sich ganztags dem Training zu widmen…

Von mir aus kann ja jeder seinen Spleen leben. Aber dieses Etikett “Hochbegabt” hat auch Nebenwirkungen. Zum einen muss die Lara mindestenz zwei Klassen gleichzeitig überspringen, da sie sich sonst ja langweilt. Was zur Folge hat, dass sie in ihrer Klasse keine Freundinnen und erst recht keinen Freund mehr finden kann. Die Pubertät und die emotionale Entwicklung sind nämlich ihrer Zeit nicht voraus. Meiner Meinung nach sollten begabte Kinder die Freiheit haben, ihren Neigungen nachzugehen und das kann sicher dazu führen, dass sie frühzeitig in bestimmten Bereichen sehr weit sind. Aber ich kenne keinen einzigen erwachsenen Pianisten, Kernphysiker oder Sinologen, der als Kind das Leben des Hochbegabten geführt hat. Also laßt die Kinder sich doch ganz in Ruhe entwickeln…

7 Gedanken zu “Der Hund kann gar nicht sprechen

  1. gegendiewand123 5. August 2013 / 08:17

    Als Vater von 3 Kindern kann ich mich dieser Meinung fast zur Gänze anschließen.
    Es gibt natürlich immer wieder begabte Kinder, manche werden gefördert – nicht überfordert, andere werden nicht erkannt aber die ärmsten sind die extrem gepuschten – vom Elternhaus her. (vor allem wenn Sie eigentlich nicht übermäßig begabt sind)
    Unsere beiden Großen gehen sogar in verschiedene Schulen, weil Sie beide ihre stärken und schwächen haben. (der Große 13 – Neuemittelschule, der Mittlere 11 – Gymnasium) Jeder eben so wie er kann.

  2. seelenteil 5. August 2013 / 11:22

    danke für diesen beitrag. es gibt nicht viel, was mich noch mehr nervt als dieser umgang mit mittlerweile jeden 2ten kind. allein die rechung….jedes zweite kind – also 50% der kinder ist laut den ELTERN ganz ganz dolle hochbegabt und braucht förderung. dabei sind es ca 2% der menschen, die eben diese art von begabung haben. die haben es auch nicht gerade leicht. ich verstehe nicht, wieso man das will? so ganz unbedingt! das ist für mich einfach unlogisch.

    und ganz nebenbei: wenn das besondere zum normalfall wird ist es normal und nicht mehr besonders. wenn also fast jeder hochbegabt ist und das in zeiten des unterwelt TVs auch am besten noch selber testen kann, dann ist es faktisch normalität. wenns so wäre – bitteschön. aber leider ist es fast immer die projektion der eltern, die vor lauter geltungsgier vergessen, dass ihr kind nicht ihr traumerfüller ist sondern ein eigener mensch.

  3. SHG Mobbing Graz 5. August 2013 / 14:14

    ja, der zeitgeist… es gibt menschen, die dafür eintreten, dass WIRTSCHAFT schon im Kindergarten zu lehren ist (!!) – siehe: http://www.selbsthilfegruppe-mobbing-graz.at/einfach-zum-nachdenken/ (etwas weiter unten….!).

    wenn sie mich fragen: kinder profitieren am meisten, wenn man sie stärkt – und ihnen das lässt, was sie SCHON sind… eigene menschen… und wenn man das tut, dann finden sich die begabungen, talente, wünsche ohnehin von alleine.. denn es wurde ihnen nicht aBerzogen, sie zu spüren, und ihnen nachzugehen…. dass man sie dann darin unterstützen kann, ist wunderschön…. aber menschen immer zu MEHR, BESSER, SCHÖNER, SCHNELLER, GSCHEITER machen zu wollen, und insbesondere kinder… das ist ein furchtbarer trend unserer zeit…
    danke für ihren beitrag!!
    eva graz

  4. Morki 5. August 2013 / 17:26

    Kinder die normal begabt sind und von ihren Eltern wie hochbegabt behandelt werden, leiden sicherlich.
    Leider leiden Kinder die wirklich hochbegabt sind oft darunter, dass sie behandelt werden wie normal begabte.
    Bei kinderreichen Familien sind mehrere hochbegabte Kinder nicht ungewöhnlich, da Hochbegabung auch eine genetische Komponente aufweist.

  5. Marmotta 5. August 2013 / 19:33

    „Aber dieses Etikett “Hochbegabt” hat auch Nebenwirkungen. Zum einen muss die Lara mindestenz zwei Klassen gleichzeitig überspringen, da sie sich sonst ja langweilt. Was zur Folge hat, dass sie in ihrer Klasse keine Freundinnen und erst recht keinen Freund mehr finden kann. Die Pubertät und die emotionale Entwicklung sind nämlich ihrer Zeit nicht voraus.“

    Nicht nur das. Kinder, die „nur“ normalbegabt sind, stehen unter dem Druck, die hohe Erwartungshaltung der Eltern zu erfüllen. Kaum machbar, wenn dieses Kind ein oder zwei Klassenstufen überspringt, obwohl es in „seiner“ Klassenstufe schon ausreichend gefordert wäre. Ich kenne ein „hochbegabtes“ Kind, welches am Ende der dritten in die vierte Klasse springen musste, und wenige Wochen später dann im Gymnasium landete. Und wenig später scheiterte. Die 5. Klasse wiederholte und später auf der Realschule landete… Wie muss dieses Kind empfinden? Als hochbegabt getestet, und dann versagt es im Gymnasium? Das Kind muss sich doch als Versager fühlen und gibt möglicherweise sich selbst die Schuld an diesem Versagen.

    Leider sind es nicht nur die Eltern. Auch die psychologischen Institute, die die Hochbegabung bereits bei Vorschulkindern diagnostizieren, tragen einen großen Teil der Schuld. Ich hab manchmal das Gefühl, manche dieser Institute wollen möglichst eine hohe Quote von Hochbegabten „entdecken“. Wie seriös sind Tests, die bei Vorschulkindern Aussagen über Hochbegabung machen?

  6. hulorio 27. Mai 2014 / 12:56

    Der Hund kann garnicht sprechen… hochbegabte verstehen einfach schneller und haben somit mehr Zeit, neue Themen, die sie interessieren zu erkunden… Das ist das coole an der „Hochbegabung“ sonst nix. ,-)…. pppbbb….

  7. Ovid 10. Januar 2017 / 14:49

    Hallo , der Artikel zeigt mir nur, dass das Thema „Hochbegabung“ und die damit verbundenen eventuellen probleme überhaupt nicht verstanden werden. . Nur ein Tipp: Es ist überhaupt nicht einfach, immer anders zu sein als alle anderen UND es ist keinesfalls so, dass Eltern und/ oder Erzieher vor Begeisterung im Quadrat springen, wenn sie auf einen extremen Hochbegabten treffen..

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