Die Drittelregel von Hippocrates

Medizinstudenten bekommen seit etwa 2500 Jahren einige wesentliche Dinge unverändert beigebracht, darunter die berühmte Drittelregel von Hippocrates. Sie ist in erstaunlichem Maße auch heute noch gültig, und das praktisch in allen Fachbereichen, auch der Psychiatrie. Hippocrates unterteilte die Patienten nach ihrer Prognose in drei Gruppen:

  • Gruppe 1: Jene, die von alleine wieder gesund werden, und die keiner ärztlichen Hilfe bedürfen.
  • Gruppe 2: Jene, die der Behandlung bedürfen.
  • Gruppe 3: Jene, die auf keinen ärztlichen Eingriff reagieren.

Und es war ihm wichtig, zu lehren, dass sich die Ärzte mit Ihrer Behandlung ausschließlich der zweiten Gruppe zuwenden. Gruppe 1 solle keine Behandlung erhalten, weil sie von alleine besser gesunden könne und ärztliche Interventionen dem nur im Wege stehe, also schade. Gruppe 3 solle ebenfalls keine Behandlung erhalten, denn diese erschwere nur die Last der Krankheit, ohne Heilung zu bewirken. Stattdessen brauche diese Gruppe Trost und Zuspruch. Lediglich Gruppe 2 solle behandelt werden. Dabei seien die Risiken und Nachteile der Behandlung dem Nutzen gegenüber abzuwägen. Die Drittelregel bleibt schlicht und ergreifend wahr. Im Zuge der Kommerzialisierung gerät besonders Gruppe 1 immer mehr ins Visier der Behandler. Dinge werden als Krankheiten benannt, die keine sind. Dies hemmt die eigenständigen Bemühungen der Betroffenen, aus ihrem Leid wieder heraus zu kommen und verschiebt die Hoffnungen oft irrational auf eine Pille, die die erhoffte Wirkung natürlich nicht liefern kann. Es ist wichtig, sich bei jedem Patienten klar zu machen, in welche Gruppe er eigentlich gehört. Natürlich haben Ärzte inzwischen auch einige Aufgaben, die sie vor 2500 Jahren noch nicht hatten. So ist es für Patienten der Gruppe 3 oft wichtig, begutachtet zu werden, um Unterstützung vom Sozialstaat zu erhalten oder besondere Förderungen zu bekommen. Und Patienten der Gruppe 1 kommen mit der berechtigten Frage, ob sie vielleicht nicht zur Gruppe 2 gehören. All dies ist natürlich auch in Ordnung. Aber für die Behandlung haben wir die Verantwortung, uns ganz auf Gruppe 2 zu konzentrieren. Hippocrates hat in diesem Punkt immer noch Recht.

6 Gedanken zu “Die Drittelregel von Hippocrates

  1. Tired 30. September 2013 / 20:56

    Ob jemand zu Gruppe drei gehört kann man doch eigentlich nur feststellen wenn man verschiedenes versucht, vorher weiß man ja nicht ob er reagiert oder nicht?
    Was wenn nicht, ist derjenige dann wie man so schön sagt, austherapiert?
    Ich glaube diesen Begriff sollte man in der Medizin und auch in der Psychotherapie neu überdenken, es gibt gerade in der Psychologie und Psychiatrie immer neue Erkenntnisse, neue Methoden, neue Medikamente so das man dort doch eigentlich niemals mit Sicherheit sagen kann ob jemand definitiv und dauerhaft zu Gruppe drei gehört.
    Ich finde bei anderen Erkrankungen kann man das auch nicht einfach so beurteilen, es gibt fast immer etwas das getan werden kann und sei es nur eine Behandlung die sich auf Gespräche konzentriert, um Mut zu machen und damit die Lebensqualität zu steigern.

    Vielleicht habe ich das auch nicht richtig verstanden und mein Beitrag geht am Thema vorbei. Dann stellt sich aber die Frage, was versteht man heu´t zutage unter einer ärztlichen Behandlung bzw. einem Eingriff.
    Ein Hausarzt der seinem hoffnungslosen Patienten immer wieder Gespräche oder Möglichkeiten etwas zu versuchen anbietet, obwohl es eigentlich keinen Sinn (im medizinischen Sinn) macht, ist das eine unnötige Behandlung, ist es überhaupt eine Behandlung wenn er nichts tut außer zuzuhören? Ich denke schon und nötig sicher auch.

    • Caldwhyn 2. Oktober 2013 / 09:37

      Aber das steht doch im Beitrag oben?

      „Gruppe 3 solle ebenfalls keine Behandlung erhalten, denn diese erschwere nur die Last der Krankheit, ohne Heilung zu bewirken. Stattdessen brauche diese Gruppe Trost und Zuspruch“

      Trost und Zuspruch. Ist das nicht das, was du vorschlägst?
      Das könnte durchaus auch über einen „beruflichen Heilkundigen“ also Psychotherapeut oder Arzt mit zu viel Zeit (gibts den?) passieren, dann wären wir doch bei dem was du vorschlägst oder?

  2. pija 1. Oktober 2013 / 10:53

    Ich schliesse mich Tired an, allle patienten der dritten gruppe muessen in der gruppe 2 gewesen sein. ander, haete man sie nich aussieben koennen.

  3. Tired 2. Oktober 2013 / 10:23

    @Caldwhyn,
    da hast du Recht mit dem Trost und Zuspruch gehe ich auch Konform.
    Trotzdem denke ich das die Drittelregel gerade im psychiatrisch-psychosomatischen Bereich nicht mehr zutrifft. Die dritte Gruppe würde als aus therapiert gelten und ich halte es für fast unmöglich das jemand in diesem Bereich dauerhaft austherapiert sein kann.
    Das denke ich auch über viele rein medizinische Bereiche, das der Arzt die Behandlung einstellt ist meiner Meinung nach sehr oft nicht so weil es keine Möglichkeiten der Behandlung mehr gibt, sondern weil es dem Arzt zu kompliziert wird und er den Patienten gerne weiterreichen möchte.

    Das Motto der Zukunft sollte ganzheitliche Betrachtung lauten, so das die Zuständigkeiten nicht über etliche Fachrichtungen und Institutionen verteilt sind, sondern in einer Hand bleiben. Das Hausarztmodell kommt dem ja schon etwas näher als früher, aber der Hausarzt kann es zeitlich nicht leisten als Dreh und Angelpunkt für den Patienten zu dienen.Für manche Patienten ist es Hoffnungsgebend das ein Arzt weiterhin involviert ist und darauf schaut ob es nicht doch noch Möglichkeiten gibt, bzw. ob welche dazu kommen. Wird der Patient weitergereicht wird darauf gar nicht mehr geschaut, wenn es also irgendwann etwas medikamentöses geben sollte das eine Chance darstellt, ist der Patient darauf angewiesen diese Informationen selber zu sammeln. Da ja nun ein Psychologe oder sonstige Seelsorger zuständig sind, die das sicher nicht wüssten, der Arzt würde sich kaum bei dem Patienten melden da er nicht mehr von ihm behandelt wird.

    Im Grunde finde ich das die Drittelregelung im Umkehrschluss, die ganzheitliche Betrachtung ausschließt und die Gruppe drei das austherapiert sein zur Grundlage hat, wer austherapiert ist und auch so von den Ärzten eingeschätzt wird hat keine Chance mehr auf Veränderung. Ich finde da ist ein Überdenken dieser Regeln längst überfällig, zumindest wenn es sich nicht um tödliche Erkrankungen im fortgeschrittenen Stadium handelt, ist meiner Meinung nach die dritte Gruppierung vollkommen überholt und überflüssig.

  4. Tired 2. Oktober 2013 / 10:53

    Noch was zur Gruppe eins.
    Dort muss der Arzt feststellen ob der Leidensdruck so hoch ist das medizinische Hilfe angesagt ist. Das kann er aber nur anhand offensichtlicher Symptome und seiner ganz persönlichen Meinung tun. Der Patient ist aber sehr individuell, geringe Ursachen heißen nicht zwangsläufig geringe Beeinträchtigungen. Manch einer hat einen hohen Leidensfaktor obwohl die Ursache fast vernachlässigend erscheint, ist der Patient auch noch jemand der das gut verbirgt und sich relativ emotionslos äußert landet er in Gruppe eins und wird sich bei Verschlechterung des Zustandes sicher nicht mehr an einen Arzt wenden.
    Ich finde die Grenzen sind sehr fließend und überlappen sich auch häufig in den Gruppen. Ich halte es in manchen Fällen für anmaßend zu entscheiden wohin jemand gehört, es ist eine rein subjektive Entscheidung des Arztes.
    In unserem derzeitigen System ist die Drittelregel wohl notwendig, aber deshalb nicht unbedingt richtig, sie gehört neu überdacht, was aber nur geht wenn auch am System etwas geändert wird.
    Auf der sicheren Seite sind also nur jene die in Gruppe zwei gesteckt werden und auch selber so gut informiert sind um einschätzen zu können, was ihnen gut tun würde und was nicht.

  5. NoniAnon 18. Oktober 2013 / 04:01

    Die Bloggerin hat völlig recht.
    Neue Methoden bla bla …träum weiter in deiner Blendnebelwand!

    Ich sag nur DSM5 und folgend ICD:11

    Mit freundlichen Grüßen

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